Schwupps, über ein Schneefeld, dass er mir freundlicherweise richtig tief spurte, aber nur weil er meinte, das wäre gar nicht ich direkt hinter ihm. Ich trug inzwischen Beduinensonnenschutz, der passte aber irgendwie zur Skurilität der Kaindl-Stewart-Nadel.
Nachdem am Einstieg gerade ein Zweierteam umständlich Gurte und Maggibeutel anlegte, beschlossen wir, erst mal den Zustieg zu verlängern, bis es zum richtigen Einstieg geht. Mr Respect kommt bei in den 30 sec zwischen dem Bewusstwerden, dass es jetzt richtig los geht und dem ersten Fels unter der Hand nochmal kurz vorbei, dann macht er der Kletterfreude und Erleichterung, dass die erste Läge doch keine 8- ist, Platz. Eine unangenehme Querung im Zustieg zum zweiten Turm hat wohl irgendein Chuck ??? (im Angebot wäre Chuck Berni) bei seinem letzten Besuch weggewischt.
Nachdem das Gehgelände endgültig vorbei ist ziehen auch wir die Gurte an, das Seil bleibt aber noch im Rucksack, und klettern über Schrofen und Graspolster, dann immer schöneren Fels in sehr anregendem Gelände los. Es dauert nicht lange und ich erfahre ich mehr über die Zweckmäßigkeit des kleinen Rucksacks.
Bald haben wir eine zweite Seilschaft eingeholt, während ich noch klettere, erklärt Walter dem Vorsteiger den weiteren Routenverlauf. Ich höre etwas von „Schluuuuuf“, „tiefer Spalte“, „abwärtsführendem Kamin“,„WEIBERSCHRECK“, und „Höhle“, in die man besser nicht hereinklettern sollte, sonst kommt man nicht mehr raus. Uiuiuiui. Gut, dass Walter dabei ist, gut, dass er weiß, wo es langgeht, gut, dass er mir das Vertrauen schenkt, das drauf zu haben. So kann ich weiterhin entspannt bleiben und die nächste halbe oder Dreiviertelstunde klettern wir ratschend und entspannt weiter. Manchmal fast nebeneinander, dann wieder 20 m auseinander, wenn es durch gratiges, schrofiges Gelände geht, muss Walter oft auf mich warten.
Eine schöne Erfahrung, ohne das übliche Climber’s Stop and Go (also „Stand“ –„Ich komm“) unterwegs zu sein. Der andere ist nie weit weg, keine Unterbrechung des Kletterns, dafür ein trockener Mund vom vielen Ratschen.
Walter erkundigt sich immer wieder, wie’s mir geht, und mir geht’s jedes Mal richtig gut. Dann gibt’s irgendwann ne kurze Pause am Metallkasten auf dem 4. Turm, kurz vor der Abzweigung des Notabstiegs. Bis dahin war es einfache und schönste Kletterei, klar, ein zwei Gruselstellen gab es schon, meist die Übergänge von der Nordseite zurück zur Südseite des Grates, da zum Beispiel mal eine kleine Platte, die ich aber einfach frech am Rand entlang bin, da war es glitschig, aber wenigstens nicht plattig. So bin ich dann auch ziemlich verblüfft aber auch ein wenig zufrieden, dass es nicht ganz so zahm weitergeht. Das erste Highlight ist ein so etwa 1 m breiter, 7-10 m langer, 2-3 m hoher Kamin, oder Schluuf?
Der Boden voller unzuverlässigem Schutt, am Rand aber überall gute Griffe und am Ende wartet – NIX! Also, am Ende steht Walter und erzählt mir nette Geschichten, darüber, dass das nur so komisch aussieht, aber eigentlich gaaaanz harmlos ist, wenn man es von nahem sieht. Und hinter Walter ist –NIX! Wirklich – NIX. Soviel schön präsentiertes NIX hab ich vorher noch nicht gesehen. Eingepacktes Nix, eingepackt in das Ende des sich absenkenden Kamins, eingepackt in die steile, unbegehbare Wand des Kapuzenturms, eingepackt in einen Rahmen aus Fels, den es geben muss, der meinen Augen nicht ersichtlich irgendwie weiter unten rechts um es herumführen muss. Einfach irr. Nabi, huift ja nix.
Der Felsrahmen, der um NIX herumführt hat gute und viele Griffe und Tritte. Wenn das NIX nicht da wäre, wäre es wirklich eine sehr nette entspannte Querung. So ist es nicht ganz so entspannt. Der Ausstieg gelingt über ein Herantappsen an ein kleines Köpfl, das Ausstrecken meiner zittrigen Hand und eines ebenso zitternden Beines. Damit bin ich zumindest mal gut verkeilt. Unter mir ist immer noch viel Luft, nach einer heftigen Umarmung des Köpfls und zwei weiteren Zügen steh ich wieder in schon vertrautem Schrofengelände und atme ein bisschen auf. Ich merke ziemlich gut, wie mich die überwundene Stelle noch mental beschäftigt, auf mich eindrängt, während ich aufatme aber schon wieder weiterklettere.
Ich muss mich ermahnen und Konzentration aufbringen, um wieder ganz bei der Sache zu bleiben, ich bin immer noch in Absturzgelände und werde es noch eine Weile bleiben. NIX muss auf später warten... ...und Walter mal wieder auf mich...
Die nächste Stelle, die mir haften geblieben ist, ist der IV- –Riß. Die Stelle, die ich im Vorhinein als möglichen Endpunkt für das so schöne seilfreie Klettern einklassiert hatte, weil es vielleicht zu schwer für mich sein könnte. Ich war sehr angenehm überrascht.
Die Stelle war so ähnlich, wie schon viele Stellen vorher, der Unterschied in der Schwierigkeit: ich musste mich nicht mehr zwischen sehr vielen guten Griffen und Tritten entscheiden, sondern nahm einfach den guten Griff und den guten Tritt. Auf der Nordseite ging es dann unkonventionell entweder kriechend oder seitwärts auf allen vieren zwischen zwei schrägen Platten durch.
Der Schwerpunkt muss ja nicht immer über den Füßen liegen... Nachdem die Ellmauer Halt schon zum Greifen nah erschien, gab es das Abschlussschmankerl.
Den finalen Nervenstärketest: den ich nicht so ganz bestand, Walter sagt, ich hätte gejammert. Meine Kräfte waren schon ein bisschen weg, man muss noch mal von einer Platte in einen Kamin spreizen, um nicht in der Höhle zu landen, aus der man nicht mehr rauskommt, und dann die Seite wechseln um nicht zu weit in einen abdrängenden Riß zu verschwinden, sondern tatsächlich auch ober rauszukommen. Mit Walters Ansagen und Mutzusprachen ging’s dann irgendwie schon.
Es gibt Gerüchte, dass er sich noch länger dort oben aufhalten wollte, und deshalb sehr eigenwillig im Rucksack beim Abstieg nicht auffinden ließ...
...und jemand dann beinahe am nächsten Tag noch mal auf die Ellmauer Halt gegangen wäre, aber nur beinahe. Der Bär hatte es sich wohl doch anders überlegt. Zum Abschluss Kuchen
auf der Gruttenhütte
und der Blick zurück.
1 Kommentar:
Servus Katharina,
zufällig durfte ich Deinen spannenden Bericht über den Kopftörlgrat lesen. Es stimmt alles haargenau so, wie Du es beschreibst. Eine der schönsten und abwechslungsreichsten Klettereien im IIIer im ganzen Alpengebiet. Nach vielen schwierigeren Klettereien in den Dolomiten bin ich vor rund 35 Jahren den Kopftörlgrat zwei Mal solo geklettert, das erste Mal an den besagten Stellen auch mit leicht mulmigem Gefühl, aber durchaus trittsicher, das zweite Mal in eineinhalb Stunden wie im Rausch.
Liebe Grüße
Conny
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