Nachdem ich letztens in mehreren USA-Ecken kletternderweise unterwegs war, ergab sich diesen Herbst (17.09. - 11.10.2015) endlich die Gelegenheit, nach zehnjähriger Abstinenz die Mutter aller USA-Klettergebiete zu besuchen Yosemite. Praktischerweise konnte ich das mit einer internationalen Konferenz verbinden.
Die Protagonisten:
Ralf Ewers, ein alter Haudegen unter den Sachsenkletterern
Rainer Treppte, Bergführer im Allgäu. Er "machte" vor der Wende "raus", besucht aber mehrmals jährlich seine alte Kletterheimat, das Elbsandstein
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Camp 4 - bei der "Rezeption" |
... und ich
Das "Weltkulturerbe" Camp 4 will hart verdient sein. Ohne Schlafen am
Eingang geht beim
first come, first served nix. Immerhin ist es der
einzige Zeltplatz, der nicht schon Minuten nach dem Online-Stellen der
Anmeldung ausgebucht ist - weil man ihn nicht reservieren kann!
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Pigs in the Valley |
Big-Wall Klettern, einschließlich Technorasseln,erleben im Valley fröhliche Uständ' Gefühl jeder zweite hat so ein fettes weißes Schwein (alias Haulbag) dabei. Das von Rainer, von der Mescalito-Begehung wohl gefüllt, war sogar ein besonders pralles Exemplar. Wir benötigten es allerdings nicht, da wir eher auf schnelle Freiklettereien aus waren. Übrgens: Damit man, trotz
living in the dirt, die Schweine von den Menschen unterscheiden kann, muss man sie ebenso wie die Mit-Zeltinsassen, einzeln anmelden. Sie bekommen dann - Ordnung muss sein! - ihren
pig tag
Akklimatisationstouren
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Pat&Jack Pinnacle, Knuckleheads 5.10b |
Zur Akklimatisation fanden wir es sinnvoll, erstmal an yosemite-untypischen griffigen Fels anzufangen. Auch hier muss man allerdings zum großen Teil selbst absichern. Aber immerhin darf man - anders als im Elbsandstein - Keile, Friends, ja sogar Chalk verwenden!
Fairview Dome Lucky Streaks
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Fairview Dome Lucky Streaks 5.10d 6 SL |
Wegen der Hitze nehmen mir heute ins 2500 m hohe Tuolomne Meadwows reißaus und werden auf der ultimative Yosemite Reibung erst einmal in die hiesigen Bewertungsverhältnisse "eingenordet". Selbst "Reibungspapst" Ralf sieht irgendwie nicht ganz locker aus. Zumal auf Reibungsplatten die neu gewonnene Freiheit in Form von Keil- und Friend-Erlaubnis gar nix nutzt ...
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Abstieg vom Fairview Dome |
Typisch für Tuolomne Meadows sind die riesigen schrägen Granitflächen. Mit Schnee wären dies ideale schwarze Skipisten
Cookie Cliff
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Nabisco Wall mit "Wheat Thin 5.10c" |
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In der "Wheat Thin" |
Schaut man auf die Verpackung, wird klar, woher die Bezeichnungen "Cookie Cliff" und "Wheat Thin" kommen. Übrigens: Die "Nabisco Wall" besteht aus den drei benannten Seillängen "Waverly Wafer", "Wheat Thin" und "Butterfingerss"
Rostrum

Jetzt ist aber mal Zeit für eine "richtige" Mehr-SL-Tour im Valley. Als Test für Größeres wäh;en wir das "Rostrum North Face". Mit 8 SL und Schwierigkeiten bis 11c in sehr steilem Granit ist dies das Testpiece für den Astroman.
Eine solide Ausbildung in der "Riss-Schule Elbsandstein" ist hier sehr nützlich. Kenntnisse in der Bewältigung aller Rissgrößen, von sehr klein (Fingerriss) bis ganz groß (Schulterriss, enge Kamine) werden getestet.
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Ralf macht die "Doppelhand" |
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Handrissdach |
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Am Ausstieg des "Rostrum" d.h., neben dem Auto |
Royal Arches und North Dome
Die nächste Tour ist zwar nicht so schwer, aber richtig lang. Wir müssen das erste mal richtig früh aufstehen (obwohl, für Alpenverhältnisse immer noch kommod, so um 6:00 ;-)
Wir klettern zunächst an den Royal Arches (links unten) den gleichnamigen Klassiker (5.7, 16 SL), steigen dann weiter zum North Dome (rechts oben), um dort Crest Jewel (5.10d, 8 SL) zu begehen. Zum Ausklang folgt noch eine 10-Meilen-Wanderung zurück zum Camp 4.
Die leichten Einstiegsseillängen der Royal Arches
Um ein Pulk an Trad-Kletterern am Einstieg der Royal Arches zu überholen (die brauchen für diese Route den ganzen Tag, während unsere Zeitplanung 3 Stunden vorsieht), kenne ich eine "Geheimvariante", auf der wir rechts überholen konnten. Die ersten 6 SL klettern wir seilfrei.
Übrigens: Bei den Bäumen im Tal handelt es sich um Sequoias (Mammutbäume). Diese sind sehr groß und täuschen so über den wirklichen Höhenunterschied zum Tal. Sie verstecken auch die mehrere Tausend Touristen, welche im Valley umherwuseln, sowie diverse Dörfer.

Die Reibungskletterei am North Dome, Crest Jewel ist in ihrer Art einmalig. Acht Seillängen schwere und schwerste Reibungskletterei ohne Griffe oder Ausruhpunkte mit nicht zu unterschätzenden Hakenabständen. Meine Fingerkraft ist da ziemlich nutzlos. Zum Glück ist Ralf der "Master of Friction". Allerdings ist er auch ein noch blinderes Huhn als ich, so dass ich ihn häufig von der Sicherungsposition aus zum jeweils nächsten Bohrhaken im Granitmeer navigieren muss
Am Gipfel dann der Half Dome mit seiner NW-Wand. Die 10-Meilen-Wanderung vom North Dome zum Camp 4 ist ein schöner Ausklang und selbst ohne Klettertouren empfehlenswert. Im Gegensatz zum Valley ist es in den weiten Hochebenen sehr einsam.

Eine echte Empfehlung, um mal die Seele baumeln zu lassen. Auf den Weg zum Camp Four vernachteten wir dann aber doch noch. Gelobt seien helle Stirnlampen!
Half Dome Regular 5.11a/C1, 19 SL
Es gab diesen Frühsommer einen riesigen Felsausbruch (rotumrandet), welcher die Robbins-Traverse und einen Teil der Kaminreihe mitriss. Gerüchteweise gab es aber bereits eine Umgehung des gepunkteten abgerochenen Routenteils, so dass wir die "Regular" angingen

Wir wählten die "Death Slabs" als Zustieg. Dieser Direktzustieg mit einigen Fixseilen vermeidet eine 11-Meilen-Wanderung fast auf den Half Dome und auf der N-Seite am Wandfuss entlang wieder runter
Im zweiten Bild sind wir kurz vor dem Wandfuß ... so schaut es zumindest aus. Es brauchte aber noch eine halbe Stunde, bis wir da sind.
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Ralf in der Hakenleiter der 11.SL |
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Ralf am "Mantel" in die 11c-Verschneidung |
Am Ende der 11c-Verschneidung (neue 12. SL.) Das hier gezeigte Stück zum Stand der unversehrten Originalroute auf dem Block war leider ohne Bohrzeug oder Skyhooks und anderem Technokram nicht möglich, so dass wir umkehren mussten. Mab beachte die gelbe Ausbruchskante in Bildmitte
Buttermilks
Zur Abwechslung und zur Auflockerung machen wir einen Tripp zu deutlich kleineren Felsen: den berühmten "Buttermilks" bei Bishop Bouldern nahe Bishop. Ralf ist aber weniger motiviert (Felsen zu klein) und packt deshalb seine Fiedel aus.
Treibi bouldert und Ralf spielt Geige so könnte man eine bekannte Bildunterschrift aus Reinhard Karl's Kultbuch über Ron Kauk und John Bachar umformulieren
Auf den Rückweg kommen wir beim Sportklettergebiet "Owens River Gorge" vorbei. "No Posing" Es gibt sie noch, die beständigen Dinge! wie die amerikanische "No Posing" Prüderie. (Wie immer, machen genau die Dinge am meisten Spaß, die verboten sind;-) Man beachte aber den in 22 Jahren stattgefundenen graduellen Anstieg der Höflichkeit ;-)
Astroman
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Ralf in der 2. SL (5.10b) |
Nach der Rückkehr ins Valley gehen wir unser erstes Highlight an: Washington Column, Astroman 5.11c, 12 SL. Obwohl nominell der gleiche Grad wie "Rostrum" und nur 4 SL länger, ist Astroman ein anderes Kaliber. Jede Seillänge bis auf die erste ist schwer, viele haben einen außergewöhnlichen Charakter wie die "Endurance Corner" (3.SL), "Harding Slot" (7. SL), "Changing Corners" (10. SL) und zum Schluss die gefährliche Headwall (12. SL), in der der Fels von bombenfesten Rissen plötzlich in eine schuppig-bröslige Wand mutiert. Nicht zu vergessen der komplizierte North-Dome Gully Abstieg. (Als ultimative Ausdauerpunpe könnte man natürlich auch den North Dome und die 10-Meilen-Wanderiung anschließen ;-)
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Ralf geht den "Harding Slot" an |
Sonst stieg ja alles Schwere ich vor, aber bei der 7. SL, dem berühmt-berüchtigten "Harding Slot", ließ ich Ralf den Vorstieg, da er im Oberkörper beweglicher ist als ich üblicherweise macht man diesen Spalt linksgängig (d.h. linke Schulter rein). Ralf versucht sich an einer noch anstrengenderen Variante, der vermutlichen "Erstbegehung" rechts rum. Eine Stunde steckt er im Spalt, kreucht, zappelt und keucht. Die gute Nachricht: Er kann nicht abstürzen. Die Schlechte: Er kommt nicht weiter... Im Nachstieg entdecke ich eine für Sachsen recht gutgängige Schulterrissvariante außen herum (im Führer steht auch was von einer Hangelvariante 5.11+ R/X, die ginge aber nicht im Vorstieg)
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Wieder mal oben. Glücklich dem Harding Slot entronnen! |
Moratorium
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Der einzige griffige Fingerriss |
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Ralf ist sichtlich angestrengt ... |
Nach dem doch recht anstrengenden gestrigen Tag machen wir heute was Kurzes: Moratorium (5.11, 4 SL) am Schultz Ridge. Es stellt sich allerdings als extrem technische Angelegenheit mit riss- und haltlosen rechtwinkligen Verschneidungen mit Sicherung an Mikrokeilen heraus - so richtig Old School
El Capitan East Buttress

am letzten Tag von Ralf's Aufenthalt machen wir mal zur Abwechslung eine Genusstour und eine erste Annäherung an den "Chef" im Tal: El Capitan East Buttress (5.10a, 11. SL). Ein Klettertraum! Bis auf die Einstiegs-SL hat diese Tour klassisch-alpinen Charakter ohne spezielle Risskletter-Anforderungen. Allerdings: "bis auf ...!" Die Einstiegs-SL ist nämlich ein "polished flared offwidth". Jeder Kletterer wendet sich beim gleichzeitigen Vorkommen dieser drei englishcen Wörter mit Grausen. Aber es hilft ja nix ... Wir müssen auch fix sein, da Ralf's Flieger morgen fliegt. Null Problemo: in 4:15 waren wir oben
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Ralf sichert relaxed |
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wieder mal oben! |
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Wander-Ruhetag
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Lost Arrow Line, die "Mutter aller Highlines" |
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Blick vom Käpt'n auf die El Cap Meadows |
Ehe Rainer aus Kanada kommt, mache ich einen Ruhe-Wandertag: Zunächst wandere ich den Yosemite Falls Trail rauf zum Lost Arrow, dann 6 Meilen weiter zum großen Käpt'n selbst und die "East Ledges" mit mehrmaligen Abseilen zurück zum Camp Four.
Solo am Higher Cathedral Rock
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Einstieg | |
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Rainer ist gesundheitlich noch etwas angeschlagen und auch noch nicht da, so erfülle ich mir einen großen Traum und klettere solo den mir bereits bekannten Northeast Buttress (5.9, 11 SL) auf den Higher Cathedral Rock (ca. 2 h) und das Braille Book (5.8, 8 SL, 50 Minuten von Einstieg zu Einstieg)
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Eine Stunde später |
Zur Seilschaft unter mir: Eigentlich steigt man als Seilschaft Mittags nicht mehr in diese 11-SL-Tour ein. Die beiden Japaner unter mir machen's trotzdem Beim Abstieg von meiner zweiten Tour sehe ich sie dann vernachten ...
Zu den Touren mit Seppo, Daniel (Bachar Yerian) und Rainer (El Capitan West Face und Worst Error Rock, Hotline) siehe mein folgendes Blog!